Als Hearthstone plötzlich von mir wegsah und einen Schritt in eine andere Richtung trat, drehte ich mich verwirrt um und bemerkte jetzt auch die kleine Verwüstung, die die süße Katze gerade anstellte. Das ist mein Plektrum, meine armen Stifte!, rief ich, während ich ebenfalls zu der Katze trat, aber diese sprang vom Bett. Sie stieß dabei mein wertvolles Notizbuch vom Bett, das offen liegen blieb, aber ich konnte mich nicht darum kümmern, denn sie drängte sich locker zwischen unseren Beinen hindurch, und schnappte sich noch ein kleines seidenes Taschentuch von dem Nachttisch neben Hearthstones Bett. Sie schien nicht vorzuhaben in nächster Zeit ruhig zu bleiben.

In dem Chaos, das die Katze anrichtete, bemerkte ich Hearthstone gar nicht, der plötzlich mein Notizbuch in den Händen hielt. Es war deutlich eine Zeichnung zu sehen von Hearthstone, wie er im Unterricht saß und ich auf einem anderen Tisch, aber eindeutig zu ihm hinüber sah, während er aus dem Fenster starrte. Zwischen über und unter der Zeichnung war ein Schriftzug zu erkennen. Ich sprang unterdessen der Katze hinterher, welche ich nach ein paar fehlgeschlagenen Versuchen auch endlich wieder fangen konnte und ihr mein Plektrum sowie das Taschentuch, ohne das die beiden Sachen kaputt gegangen waren, abnehmen konnte. Ha! Endlich hab ich dich!

Ich steckte mein Plektrum wieder weg und drehte mich gerade triumphierend zu Hearthstone um, um ihm stolz in der einen Hand sein seidenes Taschentuch und in der anderen die Katze zu präsentieren, allerdings hatte dieser gerade mein Notizbuch in der Hand und starrte hinein, als würde ihm dieses gerade alle Geheimnisse dieser Welt verraten. Sofort erstarrte ich ebenfalls, wie eine Maus, die vor eine riesige Katze geraten war, und wurde so bleich wie wohl noch nie, während ich einfach nur betete, dass er nicht gerade eine der Zeichnungen anstarrte, die ich von ihm gemacht hatte, schon gar nicht die, die in unserer letzten Stunde Mathematik entstanden war.

Bitte nicht die Mathe-Seite, bitte nicht die Mathe-Seite, bitte nicht die-, wiederholte ich mein Mantra innerlich immer und immer wieder, während mir Hearthstone mein Notizbuch hinhielt und ich mich im ersten Moment gar nicht traute daraufzuschauen, welche Seite er nun wirklich erwischt hatte. Dann wagte ich allerdings doch einen Blick nach unten und ließ in dem Moment meine Hand etwas locker, woraufhin die Katze sich frei zwängte und schnell durch unsere Zimmertür verschwand, vermutlich um wieder nach draußen zu kommen. Ich hatte allerdings keine Zeit ihr nähere Beachtung zu schenken, da ich nun meine freie Hand ausstreckte und vorsichtig das Buch wieder an mich nahm, während sich die Farbe meiner Wangen langsam aber sicher der Farbe meiner Haare anpasste, mein Gesicht und mein Hals lagen allerdings auch nicht weit dahinter. Ich legte Hearthstones seidenes Taschentuch auf seinem Bett ab, während ich mir nicht traute ihm in die Augen zu schauen, als ich schließlich deutete, Wäre es schlimm wenn es so wäre?

Mein Herz pochte mir bis in den Hals und drohte aus meinem Körper zu springen, während ich auf Hearthstones Antwort wartete. Hatte ich gerade unsere Freundschaft ruiniert? Ich wusste es nicht, während ich meine Arme eng an meinen Körper drückte, denn ich fühlte mich gerade so bloßgestellt und unwohl wie schon lange nicht mehr. Nicht glauben?, deutete ich vorsichtig und legte meinen Kopf etwas nach hinten, um ihn doch direkt anzusehen, während ich sein Gesicht musterte, als könnte mir dieses meine lang ersehnten Antworten geben.

Glück? Aufgeregt starrte ich Hearthstone mit großen Augen an, denn auch wenn ich noch keine so langen Sätze deuten konnte wie er, ich verlor zu schnell noch den Überblick, hatte ich doch genau verstanden, was er mir kommunizieren wollte und ich konnte es kaum fassen. Warum sollte er Glück haben? Mit einem Holzkopf wie mir? Ich war ein nerdiger Idiot mit einem Vorliebe für schlechte Serien, Star Wars und Musik, der nicht anders konnte als alles zu zeichnen, was ihm in die Quere kam. Trotzdem deutete ich noch dazu, Du kannst es mir glauben.

Wenn mein Mund sich nicht so staubtrocken angefühlt hätte, hätte ich mich vermutlich verschluckt, während ich fieberhaft in meinem Kopf überlegte, ob ich die Zeichen gerade einfach nur falsch verstanden hatte. Trotzdem nahm ich meinen Mut in die Hand und trat einen Schritt näher an Hearthstone heran. Das Gegenteil von stören. Das würde mich das., deutete ich etwas zögerlich, bevor ich noch etwas anderes hinzufügte, den Sprung ins kalte Wasser wagte sozusagen, Möchtest du es versuchen?

Ich nickte zögerlich, doch zog gleichzeitig die Augenbrauen zusammen, während ich fieberhaft überlegte, wie ich ihm das am besten deuten sollte. Ich kannte nicht alle Wörter, noch nicht jedenfalls, die ich dafür brauchte, aber ich schätze ich würde es ihm wohl trotzdem vermitteln können. Auch wenn ich bereits vor mehr als sechs Monaten begonnen hatte Testosteron zu nehmen und so meine körperlichen Veränderungen nun immer mehr in die Richtung gingen, dass meine Dysphorie langsam aber sicher abnahm, so war ich trotzdem für einiges nicht bereit, was wohl viele andere in meinem Alter schon längst hinter sich hatten. Ich hob also zögerlich meine Hände und deutete dann, Langsam. Ich möchte... langsam. Ich wusste nicht genau die richtigen Worte dafür, um ihm zu sagen, dass ich es langsam angehen wollte, aber ich hoffte, dass er es verstand und das kein negativer Punkt für ihn war. Mit großen Augen sah ich zu ihm hoch, während mein Herz aus meiner Brust zu springen drohte.