Ich konnte mir nur schwer ein Augenverdrehen verkneifen, als das Mädchen mit den hellen Haaren mich in spitzem Ton anschnauzte, doch ich grinste nur lässig und rückte meine Reitkappe zurecht. Ferox tänzelte nervös und machte einen Satz zur Seite, als sie bemerkte, dass sich mein Griff gelockert hatte.
"Jetzt bleib halt mal stehen, verflucht!", knurrte ich leicht ungehalten und nahm die Zügel kurz. Ich hasste es, so hart mit ihr umzugehen, doch mein Vater hatte mir stets gelehrt, sich bei den Tieren durchzusetzen. Anders würden sie einem nur auf der Nase herumtanzen. Der Hengst wie auch die fremden Mädchen machten sie nervös und unruhig. Kurzum zog ich die Füße aus den Steigbügeln und schwang mich leichtfüßig aus dem Sattel. Ich führte die Stute an den Rand des Reitplatzes, wo ich ein Halfter zurückgelassen hatte. Das streifte ich ihr nun über die Trense und band sie mit dem dazugehörigen Führstrick an den begrenzenden Zaun. Kurz tätschelte ich noch beruhigend ihren Hals, bevor ich mich wieder den beiden Mädchen zuwandte. Mit den Händen in den Hosentaschen musterte ich die zwei unverhohlen von oben bis unten.
"Ja. Ich habe einen Einwand. Nämlich dass ich zuerst hier war und ihr beide" Ich deutete auf die zwei.
"mich hier stört." Ferox scharrte mit den Hufen, hatte aber inzwischen größeres Interesse an dem Gras, dass verlockend unter dem Zaun hervorlugte und an das sie zu kommen versuchte.

Ich ließ Felizia mit Freuden den Vortritt und überließ ihr auch das Reden, da ich das sowieso nicht gut konnte. Insgeheim bewunderte ich den Jungen vor mir, der sich genauso leicht von seinem sichtbar nervösen Pferd schwang, wie er vorhin geritten war. Die schöne Stute band er schließlich an dem Zaun an, bevor er etwas näher trat und sagte, wie würden ihn stören. Unsicher sah ich wieder zu Felizia und wartete, was sie sagen würde.

Innerlich atmete ich durch und äußerlich setzte ich ein freundliches Lächeln auf.
"Aber natürlich -ich schmeiß meine Freundin eben aufs Pferd und dann räumen wir liebend gerne den Platz für dich. Wir wollen ja die Elite nicht bei ihrem Training stören!", sagte ich freundlich und bedeutete meiner Freundin, sich über die Aufstiegshilfe auf Jadens Rücken zu schwingen. Ich stand währenddessen mit dem Rücken zum Ölprinzen gewandt und setzte noch ein "Übrigens würde ich an deiner Stelle meinem Pferd mal etwas mehr Sicherheit und Vertrauen vermitteln -dann hast du auch nicht so ein nervöses Wrack unterm Arsch, was sobald Fremde Menschen oder Pferde aufschlagen durch die Decke gehen will"
Damit war das Thema für mich erledigt. Ich hatte absolut kein Interesse daran mich mit so einem verwöhnten, unsympathischen Kerl auseinanderzusetzen und groß zu diskutieren. Er führte sich wie die Prinzessin auf der Erbse auf und war absolut herrisch veranlagt... der würde hier noch sein blaues Wunder erleben -und darauf freute ich mich. Solchen Leuten musste Einheit geboten werden, denn sonst war ihr Ego irgendwann nicht mehr zu bremsen.
Jaden spielte mit seiner Oberlippe an einer meiner weißen Haarsträhnen herum und sofort war meine schlechte Laune verflogen. Als Cassy an ihn herantrat trennten sich die sichelförmigen Öhrchen und eines davon war auf meine Freundin gerichtet. Ich kraulte ihm die Stirn und legte dann meinen Kopf an seinen. Binnen von Sekunden schloss er seine blauen Augen und schnaubte zufrieden.

Ich grinste bloß überlegen bei ihren Worten, auch wenn ich mich von ihrem scheinbar freundlichen Ton nicht austricksen ließ. Hielt die mich für blöd? Als könnte man mich mit so Bezeichnungen wie "Elite" abspeisen! Auch wenn ich nicht behauptete, dass ich nicht so etwas wie did Elite hier darstellte. Irgendwer musste das Niveau auf dieser Aller-Welts-Schule immerhin hoch halten. Aber mit dem Training hatte sie recht. Ich trainierte hier und das hatte ich auch nötig. Vor allem Ferox. Doch im Grunde amüsierte mich ihr Getue nur. Doch als dieses Gör auf Ferox zu sprechen kam und sie buchstäblich ein "nervöses Wrack" nannte, ballten sich meine Hände in den Taschen zu Fäusten und ich musste mich zwingen, mich zu entspannen. Für wen hielt die sich, so über mein Pferd urteilen zu können! Die wusste nicht einmal, wovon sie da sprach. Sie würde sich noch nicht einmal eine Sekunde auf Ferox halten können! (Dass das nicht gerade für mein Pferd sprach, verdrängte ich in dem Moment.) Ich war ein hervorragender Reiter und Ferox ein hervorragendes Pferd mit hervorragender Abstammung. Sie konnte reden was sie wollte, aber von meinen Pferden hatte sie keine Ahnung - wenn sie überhaupt Ahnung von Pferden hatte.
Ich versuchte, ruhig und beherrscht zu bleiben, wie man es mir beigebracht hatte, und überlegte, ob sie es wert war, dass ich überhaupt antwortete.
"Wieso das denn?", fragte ich gespielt ahnungslos und grinste dann bloß spöttisch, ehe ich sarkastisch fortfuhr:
"Ich hab ihr nur beigebracht, dumme, unbedeutsame Menschen mit vorlauter Klappe zu meiden, das hat sie wohl ein wenig zu wörtlich genommen." Ich zuckte mit den Schultern und grinste, dann nahm ich meine Kappe ab, bevor ich mir durch die platt gedrückten Haare fuhr, um sie wieder zu richten.

Ich näherte mich Jaden langsam und vorsichtig und strich ihm sanft über den Hals.
"Na du? Du bist schön brav, hörst du?", sprach ich leise mit ihm, wohlwissend, dass er mir nicht antworten konnte. Dann richtete ich die Aufstiegshilfe, stellte sie links von Jaden auf und achtete darauf, dass Felizia ihn auch festhielt. Ich war schon mal geritten und wusste daher, wie man richtig aufsaß - zumindest in Theorie. So elegant wie bei dem Jungen aber sah es bei weitem nicht aus. Als ich schließlich im Sattel saß, sammelte ich die Zügel auf und hielt sie voerst noch locker in der Hand. Ich pustete mir eine blonde Strähne aus dem Gesicht und versuchte, wegen meines plumpen Auftritts nicht rot anzulaufen. Wieso musste er uns auch zusehen! Die Steigbügel waren etwas zu lang für mich, dass konnte sogar eine Laie wie ich erkennen, aber wie man sie richtig umstellte wusste ich nicht mehr so ganz. Und ich wollte mich nicht schon wieder zum Affen machen, weshalb ich einfach ruhig sitzen blieb.

Ich lächelte Cassy vom Boden aus zu und verkürzte die Steigbügel des Westernsattels um gute 3 Löcher -Nach Augenmaß dürften sie der Blondiene nun deutlich besser passen. Ich klopfte Jaden den Hals. Nun wandte ich mich von meinem Hengst ab und lächelte den Fremden einfach nur noch freundlich an -meine Wut verflog immer mehr, mit jedem mal, was er die Klappe auf riss. Er schien mir mehr und mehr wie eines dieser Adligen Bälger, dem niemals Grenzen aufgewiesen wurden.
“Wenn du deiner Stute angeblich beigebracht hast dumme, unbeutende Menschen die die Klappe aufreißen zu meiden stellt sich mir eine bedeutende Frage: Wie kannst dann ausgerechnet DU überhaupt deinen Hintern in ihrem Sattel parken? Nach deiner Schilderung müsste sie vor allem dich in hohem bogen absetzen. Mal ganz davon zu schweigen, dass deine Stute einfach nur unglaublich schlecht sozialisiert zu sein scheint, was für menschliches Versagen entweder von deiner Seite, oder von Seiten ihres Ausbilders und Züchters spricht. Pferde die gut sozialisiert sind haben keinen Grund bei antreffen auf Artgenossen steil zu gehen… aber wenn ich mal so darüber nachdenke, passt ihr beide super zusammen: Du bist genauso schlecht sozialisiert wie dein Pferd… nur setzt letzteres noch einen drauf. Es kommt nicht nur nicht mit fremden Menschen, sondern zusätzlich nicht mit ihresgleichen klar… eigentlich ist sie verdammt arm dran wenn man es genau nimmt -vor allem mit einem Reiter, der ihr nicht mal die nötige Sicherheit und das Selbstvertrauen geben kann, um sie zu beruhigen wenn es drauf ankommt. Sie mag sicherlich ne tolle Abstammung haben, denn das kann man sehen- sie hat ein 1a Exterieur und ein tolles Gebäude… aber eine Eilmeldung für dich: Auf Papieren kann man nicht reiten.”
Ich richtete Jadens Stirnriemen etwas, da er leicht schief lag.
”Nebenbei bemerkt eine kleine Erinnerung für dich: Anscheinend hast du ein Problem mit jedem, der sich nicht auf deinem Niveau bewegt… das merkt man an deiner herablassenden Art. Dabei solltest du mal eines nicht vergessen: DU hast genauso an der Longe angefangen, mit gleichgewichtsübungen und absolut keinem Gefühl für Pferde, wie jeder Reitanfänger. Das warst du auch mal -auch du wurdest nicht mit dem Reiterlichen Können zur S Klasse geboren. Es hat sich bei dir genauso entwickelt wie bei jedem, der Reiten gelernt hat. Dumm ist wer dummes tut -und Menschen wegen eines geringeren Lernstandes zu denunzieren ist dumm. Also bist du anscheinend genauso dumm wie du mich hinstellen willst… vermutlich sogar noch dümmer, da du mit der Wahrheit nicht klar kommst. Du bist nichts besseres, sondern ein Mensch wie ich auch -und du scheißt aus dem gleichen Loch wie ich. Auch wenn man dir als Kind was anderes eingebläut haben mag. Zum Schluss noch eine Info Rich Kid: Da wo du herkommst, magst du ne riesen Nummer sein… hier ist das nicht so und es interessiert niemanden wer du bist. Hier zählt nur die Leistung und nicht der Name den man trägt. Also pass dich gefälligst an -denn hier wird dir niemand deinen süßen Arsch hinterher tragen oder den Speichellecker spielen, nur weil du vielleicht blaues Blut in dir hast, comprende Schätzchen? Und in Zukunft sollte ein Jungspund wie du etwas mehr Respekt vor älteren haben… oder wurde dir das etwa niemals beigebracht?”
Mit diesen Worten schnappte ich mir Jaden an der Longe und verließ einfach ohne ein weiteres Wort den Platz -Richtung privater Reithalle. Den Schnösel ließ ich kommentarlos stehen.

(Geht zur Privaten Reithalle)

Ich hörte mir stumm an, was mir diese Möchtegern-Pferdekennerin alles an den Kopf zu werfen wusste und bekam dieses herausfordernde Grinsen nicht aus dem Gesicht. Ich sah es als meinen Triumpf an, dass sie so ausflippte, während ich mich wenigstens unter Kontrolle hatte. Was für ein Theater! Lächerlich. Er kommentierte das Ganze nicht, da das Gör zum Ende das Pony mit dem blonden Mädchen am Zügel nahm und sich aufmachte, den Platz zu verlassen. Na die ließ sich ja leicht vertreiben.
"Alles klar, Omi. Das nächste Mal verbeuge ich mir vor dir und deinem ach so hoheitsvollen Gaul. Pass nur auf, dass du deine Gehhilfe nicht vergisst!", spottete ich in sarkastischem Ton, fuhr mir durch die dunklen Haare und grinste breit.
"Viel Glück bei deiner ersten Reitstunde ála Furie!", rief ich dem blonden Mädchen noch zu und wandte mich dann Ferox wieder zu. Ich war froh, dass sie weg waren und die Worte dieser Kuh nahm ich gar nicht ernst. Was wusste sie über Ferox und was wusste sie über mich und meiner Herkunft? Gar nichts! Deshalb hatte sie mir auch nichts zu sagen.
"Na komm, meine Gute. Du kannst echt froh sein, dass dich nicht so ein Arschloch wie die da reitet", meinte ich zu der weißen Stute, die es tatsächlich geschafft hatte, an ein wenig Gras heranzukommen. Bei meinen Worten hob sie den Kopf und blickte mich mit diesem treudoofen Blick an, so, als würde sie fragen, ob diese Ausartung da eben ihre Schuld gewesen war. Ich tätschelte ihren Hals, befreite sie von dem Halfter und saß wieder auf. Wenigstens hatte ich nun den ganzen Platz wieder für mich selbst. Das kleine bisschen Ärger, dass in mir kochte, auch wenn mich ihre Worte äußerlich kalt gelassen hatten, verdrängte ich so gut es ging. Mit Wut im Bauch zu reiten war nie gut, dass wusste ich aus eigener Erfahrung. Und Ferox hatte nun wirklich nichts falsch gemacht.
"Na komm, los." Mit Schenkeldruck trieb ich sie zuerst zum Schritt, dann zum Trab an. Sie war ruhiger wie vorhin, was meistens der Fall war. Im Laufe eines Trainings wurde sie immer ruhiger. Nur eines ging mir während dem Reiten nicht mehr aus dem Kopf. Eines, dass sie gesagt hatte und das mich fürchterlich wurmte, weil ich in mir drin wusste, dass sie recht hatte. Ich musste Ferox endlich beibringen, nicht immer wegen allem nervös zu werden und ihre Mätzchen zu unterlassen. Ansonsten würde ich sie nie ins Dressurviereck bekommen. Nur mit Mühe gelang es mir, nicht mehr daran zu denken und das unverschämte Mädchen zu vergessen. Ich trieb Ferox zum Galopp an. Ferox' Galopp war, entgegen ihres Trabes, erstaunlich angenehm zu sitzen. Ich würde sie hervorragend ausbilden. Dann konnte ich es meinem Vater beweisen und dieser Möchtegern-Kennerin. Sich auf ein ausgebildetes, vorgerittenes Pferd sitzen, das konnte jeder, aber eines selbst ausbilden war harte Arbeit. Wenn ich aus Ferox erst einmal ein erstklassiges Dressurpferd gemacht hatte, konnte mir niemand mehr etwas vorhalten!

Mir blieb gar keine Zeit zu reagieren, oder gar die Situation irgendwie einzuordnen, da platzte Felizia auch schon mit allem möglichen heraus. Erstaunt und auch etwas erschrocken starrte ich meine Zimmergenossin an. Auf den ersten Blick würde man gar nicht vermuten, dass so viel Bissiges und Aufbrausendes in ihr steckte. Kurz darauf nahm sie schon Jadens Zügel und führte mich vom Platz. Mir blieb nur mehr die Zeit, dem Jungen einen entschuldigenden Blick zuzuwerfen. Für meinen Geschmack war mehr gesagt worden, als hätte sein müssen.

>> Private Reithalle